Achterbahn der Gefühle bei #LiposuktionbeiLipödem?
Trauer bei dem Verlust eines geliebten Menschen - ja, das kannte ich. Aber nach der Liposuktion? Gefühlschaos und sogar Traurigkeit nach der lang herbeigesehnten Liposuktion beim Lipödem, woran liegt's? Welche Trauerphasen durchlebe ich eigentlich? Und wie gehe ich am besten damit um?
Das Lipödem & Ich
Wie oft hatte ich den Gedanken, dass der Schutzpanzer in Form des Lipödems sich wie etwas zusätzliches, nicht so richtig zu meinem Kern Gehörendes angefühlt hat. Wie ein Taucheranzug, den ich nicht mehr ausziehen konnte, wie eine Ritterrüstung, in der ich unbeweglich umhertaumelte. Und doch war das Lipödem so lange ein Teil von mir. Mein Lipödem und ich, wir haben eine emotional intensive Beziehung zueinander aufgebaut über die Jahre. Viele Jahre hat mein Lipödem geglaubt, mich ganz still und heimlich zu begleiten. Es hat mich beschützt, wenn es kein anderer tat und eine Sprache mit mir gesprochen, die ich damals so gar nicht verstanden habe.
Doch ich habe das Lipödem gleich bemerkt, gespürt, gerätselt, mich geschämt, an mir gezweifelt - ohne damals seinen Namen zu kennen. Das sollte ein paar Jahrzehnte dauern. Ich habe alles probiert, dagegen gekämpft, geschimpft, war traurig, wütend, habe die Zähne zusammengebissen, wenn ich Schmerzen hatte, weitergemacht. Ich habe so viele Schmerzen erlebt, dass ich nicht mal mehr wusste, dass ich Schmerzen hatte. Noch mehr Sport getrieben, akribisch Kalorien gezählt, disziplinierter Diät gehalten, auf leckersten Nachtisch verzichtet und mir schlimme Dinge angehört.
Ich habe mich also viel mit meinem Lipödem-Schutzpanzer beschäftigt, mich gefragt: Warum ich? Was stimmt nicht mit mir? Wie werde ich ihn los und wie lege ich meinen Kern frei? Ich habe meinem Lipödem viel Zeit und Aufmerksamkeit geschenkt. Wie auch nicht, wenn es mir dauerhaft zunehmende Schmerzen bereitete und so viele Emotionen in mir auslöste.
Mit der Diagnosestellung riet mir der Phlebologe aufgrund meiner persönlichen Situation, dass ich so schnell wie möglich meine #LiposuktionbeiLipödem durchführen lassen sollte. Nach ausführlicher Recherche und absolvierten Beratungsterminen habe ich mich für meine Gesundheit und gegen meine Altersvorsorge oder ein mögliches Eigenheim entschieden und mich operieren lassen.
Die OP-Phase - ein Gefühlschaos
Ich fieberte meiner OP-Serie entgegen, sehnte mich danach, dieses krankhafte Fett endlich absaugen zu lassen, freute mich auf die Möglichkeit der Schmerzreduktion bzw. im besten Fall sogar Schmerzfreiheit. Noch am Tag der ersten OP liefen mir im Klinikbett Tränen der Erleichterung. Ich empfand Freude in dem Bewusstsein, dass ein wichtiger Meilenstein erreicht war. Und die nächsten waren schon in greifbarer Nähe. Die kommenden Tage Zuhause erholte ich mich körperlich Tag für Tag, meine operierten Stellen wechselten die Farbe zu "Regenbogen" und in mir ging es wie auf einer Achterbahn zu. Ich hüpfte von Euphorie, über Hoffnung, Frust, Schmerz, Ungeduld, zu Tatendrang und Traurigkeit, um wieder von vorne zu starten und das manchmal innerhalb weniger Stunden.
Was soll ich sagen? Diese Gefühle verwirrten mich! Ich erlebte, wie ich mich in folgendem Gedanken widerfand: Moment mal, die OP war doch genau das, worauf ich so lange hingearbeitet, darauf gespart, mich gefreut und die Tage gezählt hatte, um dann all meinen Mut und meine Zuversicht zusammen zu nehmen und aus meinen Extremitäten erstmal "Schweizer Käse" machen zu lassen. Warum erlebte ich also dann ein solches Gefühlschaos und nicht nur das reine Glück? Zwischendurch fühlte ich mich sogar schuldig für diese Gefühle. Ich fühlte mich privilegiert, dass ich überhaupt die Möglichkeit für die Liposuktionen hatte, wo es doch so viele Frauen gibt, denen diese Möglichkeit von den Krankenkassen verwehrt wird. Und nun erfüllte mich nicht die reine Dankbarkeit darüber und die Vorfreude auf das Ergebnis, wenn denn dann irgendwann die Schwellungen, das Jucken, die Verhärtungen Vergangenheit sein sollten. Sondern ich war traurig? Ich fand mich bei meinem Aqua Fit Kurs, hatte Spaß, fühlte, wie gut mir das Wasser tat, genoss die Bewegung im kühlen Nass und erlebte gleichzeitig, wie ich in mitten der vornehmlich Rentner/innen um mich herum weinte. Gut, dass Tränen im Wasser ja nicht weiter auffielen und die anderen Teilnehmer liebevoll meinen Prozess begleiteten, indem sie mich gewähren ließen. Ich lies die Tränen einfach laufen. In den nächsten Wochen weinte ich mal wegen eines Films, mal bei einem Video über Eichhörnchen, mal weil mir endlich die Jogginghose drei Nummern zu groß schien und mal - im Außen - vermeintlich völlig grundlos.
Ich war nicht allein - Du bist nicht allein
Meine kleine kürzlich bei Instagram (comtesse24x7) durchgeführte Umfrage hat ergeben: 86% der teilnehmenden Frauen, bei denen bereits mindestens eine Liposuktion durchgeführt worden war, erlebten ein Gefühlschaos im Nachgang zu ihren OPs. Das ist in meinen Augen bereits ein Statement für sich. 86%!!!
Nichts, was eine Frau mit Lipödem, die eine Liposuktion geplant hat, davon abhalten sollte, im Gegenteil. Aber in meinen Augen gut zu wissen, um darauf vorbereitet zu sein. Und sich dann daran erinnern zu können, wenn man mitten drin steckt.
Die Trauerphasen
In der Psychologie gibt es verschiedene Modelle, wie der fortschreitende Prozess der Verlustbewältigung - die Trauer - beschrieben wird. Verena Kast unterscheidet vier Phasen: Nicht-wahrhaben-Wollen, aufbrechende Emotionen, Suchen und sich trennen, neuer Selbst- und Weltbezug. Elisabeth Kübler-Ross differenziert fünf Phasen: Leugnen, Zorn, Verhandeln, Depression, Akzeptanz.* Neben den Trauerphasen-Modellen von Verena Kast und Elisabeth Kübler-Ross gibt es auch andere modernere Modelle des Trauerverlaufs. Nach Ansicht des US-amerikanischen Psychologen und Trauerforschers George A. Bonanno verläuft die Trauer hingegen in Wellen: sie kommt und sie geht. Und dazwischen treten durchaus positive Gefühle auf. Über den Verlauf der Zeit nimmt die Intensität der Wellen dann nach und nach mit jeder neuen Welle ab, bis sie schließlich verblasst.** Dieses Modell halte ich in für besonders hilfreich.
Nun fragst Du Dich, so wie ich mich das auch in der Situation gefragt habe: Ja gut, aber ich habe ja keinen geliebten Menschen verloren, sondern bin endlich mein krankhaftes Lipödem-Fett losgeworden. Warum also ein Trauerprozess?
""Trauer ist regelmäßig die Reaktion auf den Verlust einer geliebten Person oder einer an ihrer Stelle gerückten Abstraktion wie Vaterland, Freiheit, ein Ideal usw." (Freud, 1916). Schon dieser von Freud definierte Trauerbegriff verweist darauf, dass Trauer eben nicht nur die Reaktion auf den Verlust einer wichtigen Person ist, sondern ebenso eine Reaktion auf den Abschied von einer wichtigen Vorstellung, einem Ideal, einer "Abstraktion" sein kann. Freud sieht Schmerz und Trauer als Affektreaktionen auf eine Trennung (Freud, 1926, S. 161)."*
Psychologisch trauern wir um alles, zu dem wir eine intensive emotionale Beziehung aufgebaut haben. Sei es, dass diese Beziehung besonders positiv und liebevoll oder eben negativ und manchmal auch hasserfüllt gewesen ist.
Und aus systemischer Sicht betrachtet: Es hat sich ein wichtiges Element in unseren Systemen verändert. Die betroffenen Systeme sortieren sich neu.
Auch wenn wir das Lipödem durch die OP loswerden, ist da vielleicht halt einfach dennoch Trauer da und wir verstehen im ersten Moment gar nicht warum, weil wir doch genau auf dieses Ziel so intensiv hingearbeitet haben. Und darüber vergessen wir allzu leicht, dass wir dennoch darum trauern dürfen. Und vielleicht sogar sollten, um auch unseren Blick in die Zukunft und auf unsere Ziele richten zu können. Zudem glaube ich daran, dass all diese negativen Emotionen in diesem Schutzpanzer enthalten sind und dann mit der Liposuktion im Schnelldurchlauf "abgesaugt" werden. Und die Seele etwas langsamer hinterher reist.
*Trauer in der systemischen Supervision –Oder: Der Tod klopft öfter an, als man denkt von Ulrich Pfeifer-Schaupp, Seiten 33, 37 f.
**https://en.wikipedia.org/wiki/George_Bonanno
Was kannst Du tun, um damit umzugehen?
- 1Der erste und in meinen Augen, der allerwichtigste Punkt überhaupt. Lass die Traurigkeit zu.
- 2Lass ebenso all die Gedanken und Gefühle, die mit der Traurigkeit aufkommen, zu.
- 3Bewerte sie nicht, sondern erlebe sie. Lass sie kommen und wieder ziehen.
- 4Geh kreativ damit um. Schreibe sie alle auf ein leeres Blatt Papier, bis dein Kopf leer ist. Und wenn ein einzelner Gedanke viele Male wiederkommt, schreib ihn auf. Mache eine Collage. Male ein Bild. Schreibe dem Lipödem-Fett einen Abschiedsbrief. Organisiere eine symbolische Beerdigung.
- 5Mache etwas, dass Dir Kraft gibt. Tue Dir etwas Gutes: vielleicht ist es ein Spazigergang in der Natur, vielleicht schaust Du deinen Lieblingsfilm, vielleicht lässt Du Dich in den Arm nehmen, verbringst Zeit mit Deinem/r Partner/in, Deinem/r besten Freund/in, hörst deine Lieblingsmusik oder oder oder.
- 6Beobachte Dich selbst aus der Adler-Perspektive, als wärst Du Journalistin oder es wäre Deine Freundin, um die es hier gerade geht. Bleib liebevoll mit Dir verbunden, denn wenn es um jemand Drittes gehen würde, wärst Du das mit einer Selbstverständlichkeit.
Unlock your inner beauty, your path of life!

Beflügelnde Grüße
Annabelle
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